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Koalitionsvertrag 2021-2025


Hard Facts

Kategorie: Koalitionsvertrag

Veröffentlicht: November 2021

Akteure: Die Parteien SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP

Zusammenfassung

Der Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung legt einen digitalpolitischen Schwerpunkt auf die digitale Infrastruktur und einen modernen Staat. Dabei verzichtet er nicht auf eine menschenzentrierte Perspektive. Für die individuelle digitale Autonomie oder Selbstbestimmung sind unter anderem vier Kernthemen des Koalitionsvertrags relevant: Datenpolitik, Automatisierung in der öffentlichen Verwaltung, Scoring und Biometrie sowie Stärkung der Zivilgesellschaft in digitalpolitischen Prozessen.

Datenpolitik

Das Recht auf Open Data, das Stärken von Anonymisierungstechniken sowie ein Verbot von De-Anonymisierung stellen zwar keine datenpolitische Zäsur dar. Aber aus Perspektive der digitalen Selbstbestimmung greifen diese Vorhaben drängende und wesentliche Forderungen, beispielsweise der Datenethik-Kommission, auf. Ein Datengesetz soll das Recht der Einzelnen auf Zugang zu Daten stärken, an deren Entstehung sie selbst mitgewirkt haben. Das geplante Dateninstitut ist vermutlich in diesem Zusammenhang zu sehen. Es soll an der Verfügbarkeit und Standardisierung von Daten sowie an Datentreuhandmodellen und Lizenzen arbeiten.

Automatisierung in der öffentlichen Verwaltung

Mehr Selbstbestimmung in Bezug auf Daten ist entscheidend, insbesondere da die Koalition verstärkt auf Automatisierung in der öffentlichen Verwaltung setzen will. Als Beispiel nennt sie die automatisierte Auszahlung der geplanten Kindergrundsicherung. In einem Bereich, der die Existenzgrundlage und Chancengleichheit von Kindern betrifft, müssen Kontroll- und Sicherheitsmaßnahmen vorhanden sein, die verhindern, dass es zu falschen oder diskriminierenden automatisierten Entscheidungen kommt. Hier bleibt der Koalitionsvertrag konkrete Pläne – wie geplante Risiko-Bewertungen oder öffentliche Register aller verwendeten Automatisierungssysteme – schuldig.

Scoring und Biometrie

Im Interesse einer digitalen Selbstbestimmung positioniert sich der Koalitionsvertrag kritisch gegenüber flächendeckender Videoüberwachung und will biometrische Erkennung im öffentlichen Raum und staatliche Scoring-Systeme europarechtlich ausschließen. Das Recht auf Anonymität soll – online und offline – gestärkt werden. In Bezug auf das Kredit-Scoring durch private Akteure prüft die Koalition mehr Transparenz-Rechte für Betroffene.

Stärkung der digitalen Zivilgesellschaft

Generell will die Ampel-Koalition die Stimme der Zivilgesellschaft in digitalpolitischen Prozessen stärker berücksichtigen. Aus Perspektive der digitalen Selbstbestimmung ist dieser Vorstoß ermutigend. Aber konkrete Maßnahmen müssen folgen.

Relevanz

Viele zivilgesellschaftliche Forderungen mit Blick auf digitale Souveränität werden im Koalitionsvertrag berücksichtigt. Die Open Knowledge Foundation spricht von einem Perspektivenwechsel, in dessen Mittelpunkt die Rechte der Bürger·innen stehen. Der Chaos Computer Club äußert sich ebenfalls in Bezug auf IT-Sicherheit vorsichtig optimistisch. Aber nicht alle Ideen markieren einen digitalpolitischen Neuanfang, wie Netzpolitik.org mit Blick auf die Datenpolitik konstatiert. Zudem bleibt der Koalitionsvertrag in vielen Teilen zu abstrakt und schiebt Verantwortung auf die europäische Ebene ab. Daher wird es mit Blick auf diese Vorhaben in den kommenden vier Jahren entscheidend sein, eine menschenzentrierte Digitalpolitik unter Beteiligung der Zivilgesellschaft konsequent durchzusetzen.